“Viele Unternehmen versuchen immer noch, CSR und Nachhaltigkeit mit minimalem Aufwand wegzudrücken”

Nicht nur der öffentliche Druck steigt beim Thema Nachhaltigkeit, auch die Nachfrage nach zeitgemäßer und authentischer CSR-Kommunikation bleibt bei den Mitgliedern der norddeutschen studentischen PR-Initiativen ungebrochen.  Daher setzte das vierte digitale Young PR Pros meet-up am 29.03.2022 den Fokus auf die Akzeptanz- kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen. Einen umfangreichen fachlichen Input gab es dabei von Prof. Riccardo Wagner und Tobias Bielenstein. Diese machten klar, dass Nachhaltigkeit mehr ist, “als ein paar Bäume pflanzen und ein paar Bienen fördern”. Gastgeber der mittlerweile vierten Ausgabe des meet-ups waren die Studierenden-Initiativen KommunikOS, PRSH, Ostfalia Mediennetz und KnotenPunkt sowie die DPRG. Rund 50 Teilnehmer:innen aus der Hochschullandschaft verfolgten den Vortrag und hatten danach die Möglichkeit, den Referenten ihre Fragen zu stellen und mit den anderen Teilnehmer:innen in den Diskurs zu kommen.

Nachhaltigkeit – ein wahrgenommenes Trendthema, das zur Zeit so gut wie alle Unternehmen  im Rahmen ihrer Marketingkommunikation bespielen. Dabei fällt schnell ins Auge, dass Nachhaltigkeitskommunikation eben nicht gleich Nachhaltigkeitskommunikation ist, sondern auch das ein oder andere Greenwashing-Phänomen darunter angesiedelt wird. Dabei ist das Thema Klimawandel gar kein neues Thema, wie Prof. Riccardo Wagner erläutert. Dass unser Klima unter dem wirtschaftlichen Erfolg leidet, ist bereits seit über 70 Jahren bekannt.

„Wir können uns Verantwortung nicht aussuchen“

In den letzten Jahrzehnten haben gleich vier Komponenten zu einem stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeit in der Gesellschaft sowie bei Unternehmen beigetragen, erklärt Wagner. Die Historie des Themas bedingt, dass Nachhaltigkeit eigentlich kein neues Thema mehr ist, sondern schon seit vielen Jahren von Wissenschaftler:innen gefordert wird. Auch haben Unternehmen verstanden, dass ökonomischer Profit nicht mehr das einzige ist, das ein Unternehmen erreichen muss. Denn, sagt Wagner: “Wir können uns Verantwortung nicht aussuchen und sind an dem Punkt, an dem wir wissen: Die Technik alleine wird uns nicht retten”. Zudem sehen sich Unternehmen mit einer immer strengeren Regulierungspolitik konfrontiert, was sie zum Handeln zwingt. Bewegungen wie Fridays for Future haben den öffentlichen Diskurs zusätzlich angeheizt. Dies trägt nicht zur Entspannung bei; der Umgangston wird rauer. Die Flutkatastrophe im Ahrtal, zunehmende Extremwetterereignisse sowie Sommertemperaturen, die sich jedes Jahr überbieten – all dies sorgt für starke Bilder, die nicht nur Menschen, sondern auch Unternehmen zum Umdenken bewegen.

„Es gibt bei dem Thema keine Abkürzung obwohl viele Unternehmen diese nutzen wollen”

Die Kernfrage bei CSR, also Corporate Social Responsibility, ist die Frage danach, wie Unternehmen ihr Geld verdienen. Dabei befinden sich Firmen oft in einem Spannungsfeld aus Ökonomie, Ökologie, Sozialem und Kultur. Diese Bereiche müssen nicht zwingend Nachteile für Unternehmen bereithalten; sie schaffen auch Chancen. Zum Beispiel bei der Kostenreduktion durch intelligente Ressourcenschonung, bei der Risikoreduktion durch einen intensiveren Stakeholderdialog oder dem Generieren eines Vertrauensvorschusses durch transparente Kommunikation. Zusammenfassend bedeutet CSR also immer einen Mix aus Transformation und Weiterentwicklung. „Es gibt bei dem Thema keine Abkürzung – obwohl viele Unternehmen diese nutzen wollen”, sagt Wagner. Daher seien eine ganzheitliche Orientierung sowie nachhaltiges Management wichtig. Denn Unternehmen sollten “good statt less bad” sein und sich durch soziale Innovationen an wichtigen gesellschaftlichen Herausforderungen beteiligen.

“Nicht jedes Nachhaltigkeitsthema eignet sich für Social Media”

Tobias Bielenstein stellt fest, dass sich nicht jedes Thema der Nachhaltigkeitskommunikation für soziale Medien wie Facebook oder Instagram eignet. Die Debatten seien teilweise eingefahren und der Ton werde nicht nur rauer, sondern auch ausfallender. Jeder und jede sollte sich also vorher gut überlegen, welche Themen zu welchem Kanal passen und welches Format sich am besten zur Vermittlung der eigenen Botschaft anbietet. Weniger sei dabei häufig mehr, da eine unnötige Übertreibung oder Wiederholung in der Kommunikation zu Reizüberflutung führen könne, betont Bielenstein.

Auf die Nachfrage, welche Praxis-Tipps die beiden Referenten für die angehenden Kommunikator:innen hätten, zeigten Prof. Riccardo Wagner und Tobias Bielenstein unterschiedliche Handlungsfelder auf. “Ohne Mitarbeiterengagement geht es nicht”, stellt Wagner fest. Wichtig sei es dabei, den Mitarbeitenden keine diskursschließenden Aussagen zuzumuten, sondern offen in einen Diskurs zu gehen und durch Workshops oder Seminare unterschiedliche Haltungen anzuhören und auch für Gegenmeinungen ein offenes Ohr zu haben. Tobias Bielenstein betont, dass es ohne monetäre Anreize nicht geht. Deshalb empfiehlt er, Nachhaltigkeit auch in die verbindlichen Ziele des C-Level Managements mit aufzunehmen. Abschließend resümierten beide, dass sich eine Schein-Nachhaltigkeitskommunikation nicht halten wird, da die Netzgemeinde immer besser im Entlarven von Greenwashing wird. Daher sollte Authentizität ein wichtiger Baustein der Nachhaltigkeitskommunikation sein.

Abgerundet wurde der Vortrag mit einer offenen Fragerunde, bei der sich einmal mehr das große Interesse und auch das bereits vorhandene Wissen des studentischen Publikums zeigte. Deutlich wurde dabei, dass Nachhaltigkeit als Bewertungskriterium für die Arbeitgeber:innenwahl  an Bedeutung gewonnen hat. Der offene Austausch fand zudem Platz für steile Thesen und Expert:innenmeinungen aus dem Publikum und verband das Thema Nachhaltigkeit im Rahmen von Diversity und Inklusion mit der gesamten sozialen Verantwortung von Unternehmen.